Mittwoch, 22. August 2012

Gebrauchter Tag in Deljankir

Am Morgen ist es bereits stark bewölkt und windstill, kurz zeigt sich die aufgehende Sonne, gerade zwischen Horizont und der Wolkenschicht. Daher mache ich mich schnell auf, wohlwissend, dass wohl ziemlich bald der Regen einsetzen wird. Aber die Krankenschwester aus Barnaul meint, dass es noch ein bisschen halten wird, die will wohl, dass ich bald weiter fahre. Mein Ziel ist es also noch ein paar Kilometer im Trockenen zu machen. Ab Kilometer 14 setzt allerdings schon stärkerer Wind ein, der nicht zu meinem Vorteil gereicht und ab km 23 ist der Regen da. Wenige Fahrzeuge kommen aus der Gegenrichtung und aus meiner Richtung ist es nur ein LKW, der mir anbietet mitzufahren, doch ich lehne ab. Mit einem Fahrer unterhalte ich mich noch kurz. Der gibt mir den Tipp, dass es in einigen Kilometern eine Meteostation habe, bei der ich mich wohl unterstellen könne, die Dörfer dahinter sind wohl mittlerweile alle unbewohnt. Gut eingepackt in die Regensachen fahre ich weiter und komme nach 2 Stunden im Regen endlich an der Meteostation an. Mir ist schon ordentlich kalt, da die Regensachen auf Dauer doch nicht dicht gehalten haben. Ich gehe vorsichtig auf die Meteostation zu, erst spät zeigen sich Hunde, die daraufhin laut bellen. Ich muss einige Zeit warten, bis sich dann im Haus auch jemand regt und heraus kommt. Eigentlich denke ich, dass ich nun zum Haus gehen kann, leider hat die Person aber wohl keinen beruhigenden Einfluss auf den Wachhund. Dieser kommt von hinten auf mich zu und schnappt nach meinem Bein. Er trifft mich am Knöchel und ritzt eine kleine Wunde hinein, die ich danach noch mit Betadin versorge.
Wir gehen nun nicht ins Haus, sondern ich werde in der Sommerküche auf einen Tee eingeladen. Das ist eine einfache Holzhütte, die etwas zugig ist. Es ist erst 10 Uhr, allerdings erwarte ich nicht, dass ich heute noch weiter fahre, da ich erst einmal den Regen abwarten will.
Die Meteorologen sind hier ziemlich einsam, Artik ist der nächste Ort. Versorgt werden sie einmal im Jahr durch eine Grosslieferung Lebensmittel. Kommunikation nach aussen gibt es quasi nicht, nur über ein Funkgerät geben sie ihre Messwerte, die sie alle 3 Stunden nehmen, weiter. Allerdings ist das eine Meldekette, die Werte werden zu einer anderen Meteostation in Reichweite gemeldet, die sie wiederum weitergibt, bis das ganze zu einer Zentrale gelangt. Bis vor wenigen Jahren hatten sie noch Satellitenkommunikation, aber das wurde aufgrund der Kosten wohl eingestellt. Die Station ist momentan von zwei Leuten besetzt, Tolar und Valentina. Der Dritte, der Bruder von Valentina ist gerade im Urlaub. Alle drei sind aus Novosibirsk, dort scheint es eine wichtige Schule zur Meteorologenausbildung zu geben. Er kommt aber wohl bald zurück, um noch im Urlaub, hier zu jagen. Das ist für die drei wichtig, da sie somit für den Winter noch einiges Fleisch bekommen. Valentina ist schon seit 4 Jahren hier und es gefällt ihr immer noch, obwohl man sich nur für 3 Jahre verpflichtet, hat sie noch ein Jahr dran gehängt und bleibt wohl noch länger. Alle 2 Jahre kann man mal länger Urlaub nehmen, zum einen um nach Hause zu fahren, beim letzten Mal war sie aber auch noch in Thailand, ein ziemlicher Kontrast zu den Temperaturen, die hier im Winter herrschen, die sind nur wenige Grad höher als die Rekordtieftemperaturen in Omjakon, für Valentina war die tiefste Temperatur -62 Grad. Tolar ist erst seit März hier, er war vorher in der Gegend Tiksi in einer noch einsameren Station, bei der keine Strasse vorbeiführt. Übrigens war er erst vorgestern ziemlich übel von dem Wachhund gebissen worden, eine ziemlich grosse Wunde am Knie sah nicht gut aus. Auch Valentina scheint dieses Jahr schon einmal in den Arm gebissen worden zu sein. Der Hund kommt wohl nur mit ihrem Bruder gut aus. Mittags fängt Valentina dann noch an, Kompott zuzubereiten. Ich bestelle im Restaurant ja immer dieses Getränk und nun sehe ich, wie es zubereitet wird. Es wird Beerenkompott: ein Glas Zucker und ein Glas Beeren gehen auf 3 l kochendes Wasser, welche in Kompottgläser gefüllt werden. Das ganze wird dann für den Winter eingelagert. Nachmittags kann ich mich dann im Haupthaus der Station aufwärmen. Dort hat es auch eine Bibliothek, irgendwas muss man hier ja in der Zwischenzeit zwischen den Geräteablesungen machen. Am Nachmittag begleite ich Valentina noch zur wenige hundert Meter entfernten Brücke. Dort lesen sie einmal am Tag den Wasserstand des Flusses ab. Unten am Fluss steht noch ein Jeep, wohl Angler oder Touristen. Wer über die Brücke geht altert im Übrigen um eine Stunde, oder umgekehrt, hier ist die letzte Zeitumstellung der Reise fällig und der Magadansky Oblast erreicht. Nachmittags hat der Regen dann endlich aufgehört und ich beschäftige mich noch etwas mit dem Rad. Die Kette sollte nach über 1500 km wieder gewechselt werden. Leider ist sie kürzer als die bestehende Kette und leider auch kein Verschlussglied beigelegt. Als ich mit meinen Kettenschlössern herumhantiere und nach 30 Minuten immer noch keinen Erfolg habe, dämmert mir, dass es eine 8fach-Kette ist, obwohl eine 9-fach-Kette versprochen war. Saftladen dieser Progress aus Jakutsk! Also bleibt die alte Kette drauf, hoffentlich hält die Kette gut bis Magadan durch. In einem Tag muss ich mich ja entscheiden, ob ich über die Pässe der Tenkinskaya fahren will, diese wurden mir von den Autofahrern ja als besonders grosse Berge beschrieben. Bei der ganzen Nieteraktion ist mir auch noch mein Cool-Tool-Kettennieter kaputt gegangen, das Gewinde ist durchgenudelt.
Am Abend setzt wieder ein stärkerer Schauer mit Gewittern ein, ich bin froh, als mir Valentina anbietet im Haupthaus übernachten zu können, im Zelt wäre es heute nicht so angenehm geworden.
düstere Morgenstimmung in Artik
die ersten 23 Kilometer sind regenfrei

gestern war es schöner
Gegenverkehr

Tundra und dichte Bewölkung

alter Streckenplan

Meteostation Deljankir, der Niva ist nicht mehr in Betrieb

braver Hund vor Velo/Holzschuppen

böser Hund

Blick auf die alte Brücke vom Deljankir


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