Der Versuch auszuschlafen endet gegen 11 Uhr. Nach der anstrengenden Tour von Tynda her, sollte ich aber eigentlich noch mehr Schlaf nachholen. Ich entschliesse mich, noch einen Tag in Jakutsk zu bleiben. Gegen Mittag bin ich nochmal kurz beim Hotel Lena, wo sich alle Motorradfahrer treffen. Es stellt sich heraus, dass noch zwei weitere Engländer da sind. Es sind die Reste einer kommerziellen Motorrad-Expedition. Seit ein paar Sommern wird London-Magadan angeboten, mehrere Monate lang und auch einige £ schwer. Die Zwei haben ihre Kunden erfolgreich in Magadan abgeliefert und fahren nun mit den Leihmotorrädern der Kunden zurück. Leider haben sie ziemlichen Ärger mit dem offiziellen Russland, bzw. der Eine von ihnen hat wohl einen Beamten falsch angegangen oder es mit ihm verscherzt. Das sollte man sowieso nie machen, aber schon gar nicht, wenn man mit abgelaufenem Visum in Russland unterwegs ist. Sein Pass wurde ihm abgenommen und er wurde dadurch quasi festgesetzt und durfte Jakutsk nicht mehr verlassen. Angeblich haben sie sogar das Visum seines Kollegen für ungültig erklärt. So harren sie nun seit einer Woche der Dinge. Mittlerweile hat sich aber wohl eine Lösung abgezeichnet und der Eine von ihnen darf nach Hause fliegen um dort ein neues Visum zu beantragen und dann wieder zu kommen.
Für die anderen Motorradfahrer ist es ein Glücksfall, dass die beiden mit voller Ausrüstung da sind. Einer der Norweger ist mit kaputter Felge unterwegs, sie soll mehr einem Rechteck, als einem Kreis gleichen. Es wäre schwierig hier eine solche Felge zu finden, aber die beiden Expeditionsorganisierer haben ja einen Anhänger voller Motorräder und viele Ersatzteile, so dass man schnell handelseinig wird. Auch Reifen sind kein Problem. Irgendein Ersatzteil hatten die Norweger ausserdem noch in Moskau gestern bestellt und erwarten es heute in Jakutsk, da sie ja 24h-Lieferschnellservice angeklickt haben. Mittlerweile ist auch der Fixer von Walter eingetroffen, das Päckchen mit den Motorradteilen soll an seine Schwester gehen. Allerdings werden die Norweger enttäuscht, ein Anruf beim Logistikdienstleister bringt die Erkenntnis, dass die Teile heute nicht mehr kommen werden, im besten Fall morgen. Wäre ja zu schön, wenn man hier eine Versorgung wie in Europa hätte. Aber irgendwie nimmt einem diese Erkenntnis (dass man problemlos per Handy alle möglichen Ersatzteile in Moskau bestellen kann und diese in 24-48 H da sind) schon ein bisschen den Flair der Abgeschiedenheit.
Nachdem die anderen sich nun um die Motorräder kümmern, will ich auch meine Sachen mal in Ordnung bringen und fahre zur Herberge zurück. Meine Wäsche ist mittlerweile getrocknet und nun geht es mal ans Velo, das schon länger keine Pflege erfahren hat. Bei den Pisten bringt das Putzen zwar nichts, aber erst einmal will ich das Rad doch gründlich waschen. Bei meinen Stadtrundfahrten hatte ich auch einen Park mit Kanal gesehen, dort wollte ich nun mal den ganzen Staub und die Schlammkrusten abwaschen. Da die Wasserfläche jedoch schlecht erreichbar war, musste ich erst einmal einen Zugang finden. Nachdem der gefunden war, konnte ich mit einem ausgeliehenen Putzeimer ans schrubben gehen. Das Rad wurde ziemlich schnell wieder sauber. Nach getaner Arbeit kam mal wieder mein Dauersorgenkind, die Hinterradnabe dran. Die hatte immer kleines Spiel, aber auch das Zerlegen und Wiederzusammensetzen brachte keine Besserung, und das obwohl ich zwei etwas rau laufende Lager ersetzte. Als ich am Abend noch interessehalber die Vorderradnabe öffne, bekomme ich einen kleinen Schock, die Lager sind ja ganz andere als gedacht. Eigentlich war ich davon ausgegangen, dass eines der zwei Lagertypen von der Hinterradnabe dort passt, aber sie sind ein bisschen grösser, die Bezeichnung ist die 6903 und nicht die 6902. Ich lasse daher alles stehen und liegen und rase zur Strasse mit den Autoteilegeschäften. Im Laden von gestern sind leider keine solchen Lager aufzutreiben, also werde ich zum nächsten Geschäft geschickt, dort das Gleiche. Beim vierten Geschäft gelange ich schliesslich an jemand hartnäckigeren. Stepan will mir wirklich helfen, aber findet leider auch keine solches Lager, auch nach ein bisschen rumtelefonieren nicht. Da bald Feierabend ist, habe ich sowieso keine Aussicht an anderer Stelle noch heute ein Lager zu finden, dabei wollte ich eigentlich in der Früh losfahren. Stepan bietet mir an nach Feierabend noch zu einem Laden zu fahren, welcher die Lager haben könnte. Also warte ich noch kurz, dann machen wir uns mit seinem Auto auf den Weg, es scheint ein 24 Stunden-Laden zu sein, bei dem viele Autofahrer für dringend benötigte Ersatzteile anstehen. Doch auch hier ist Fehlanzeige. Stepan meint daraufhin, dass er noch eine Idee hätte wo ich morgen die Lager eventuell auftreiben könnte. In einem grossen Baumarkt hätte er für Baumaschinen schon viele Industrielager gesehen. Er zeichnet mir den Weg noch auf, und bietet mir sogar an, morgen Sonntag mitzukommen. Ich will ihm aber nicht noch mehr Umstände machen und weiss noch nicht ob ich wirklich noch versuchen soll die Lager zu besorgen.
Als ich wieder in der Herberge bin, wird am Abend noch genäht, die Hose ist langsam vom Sitzen sehr abgenutzt und die Nähte hinten beginnen sich zu lösen. Zudem sind meine Klickschuhe am Ende und die Nähte haben sich auch schon aufgelöst. Die Reparatur mit Faden und Nadel ist allerdings mühsam und bringt leider keine Dauerlösung. Da hebt der Sekundenkleber schon besser. Nachdem ich noch Geld für die nächsten 2-3 Wochen abgehoben habe, falle ich um Mitternacht ins Bett. Ich werde wohl morgen nicht so früh loskommen, sondern um 10 Uhr bei Stepans empfohlenem Geschäft auftauchen, die machen morgen nämlich erst später auf. Erfolglos war ich leider in der ganzen Stadt bei der Suche nach Müsli und Getränkepulver. Das kann zwar nicht sein, dass es die Produkte nicht gibt, aber bei der Menge an Geschäften, die ich danach abgeklappert habe, bekommt man doch langsam den Eindruck, dass die Produkte nicht vorhanden sind.
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