Nachts regnete es immer mal wieder und daher bleibe ich heute mal länger im Zelt. Erst ab 8:30 lässt der Regen langsam nach und ich mache mich auf. Als ich das Rad zurück zur Strasse schiebe, breche ich in lautes Gelächter aus, am Strassenrand, unmittelbar in der Nähe meines Zeltplatzes steht mein Bekannter mit seiner dauerkaputten Karre. Die Insassen haben wohl hier übernachtet, weil das Auto es doch nicht mehr ganz bis Jakutsk geschafft hat. Ich lasse sie weiter schlafen, bis Jakutsk sehe ich sie nicht mehr. Jakutsk beginnt früher als gedacht, dafür zieht es sich noch 12 km bis das Zentrum kommt. Es hat leider viel Verkehr und die Strasse ist schlechter als die letzten 100 km, so dass ich mir in einem Schlammloch die neue Kette gleich wieder versaue. Auch sonst muss man ein bisschen Slalom um die ganzen Schlaglöcher fahren. Auf der Suche nach einem Radladen spreche ich nahe des Zentrums einen radelnden Jugendlichen an, der mich gleich zum Progress führt, ein gut sortiertes Sportgeschäft in Jakutsk. Es hat sogar eine Vitrine mit Radersatzteilen. Beim Pedal studiere ich ein bisschen, es hätte sogar ein Klickpedal, doch ich bleibe dann bei einer einfachen leichten Ausführung. Auch eine Kette ist vorrätig, so dass ich schon meine wichtigsten Erledigungen gemacht habe. Nun geht es auf Hotelsuche. Es ist schon Mittag vorbei und so bin ich eigentlich ziemlich hungrig, aber das Hotel soll zuerst erledigt werden. Am Hauptplatz in Jakutsk stehen einige Hotels, die Preisklasse sagt mir nur gar nicht zu. Das Hotel Lena verlangt so um die 4000 Rubel. Die Hotels aus meinem Reiseführer (veralteter LP auf Kindle dabei), existieren leider nicht mehr und auch die Tips der Einheimischen führen ins Leere. So kehre ich wieder um, da ich bei der Fahrt in die Stadt hinein ein Hostel gesehen habe. Zunächst fahre ich jedoch noch bei der Strasse vorbei in der Autoersatzteile verkauft werden. Ich bin immer noch auf der Suche nach Ersatzkugellagern für meine Naben. Gleich das erste Geschäft ist ein Volltreffer. Ich bin ganz baff, als der Verkäufer die richtigen Lager (6902 2RS) aus dem Regal zieht. Zudem hat er einen Hoteltip für mich, es ist um die Ecke und das Etablissement, welches ich schon bei der Fahrt in die Stadt gesehen hatte. Es ist eigentlich ein einfaches Restaurant mit ein paar Zimmern im ersten Stock. Die Preise sind zwar immer noch ordentlich, aber unter 1700 Rubel komme ich wohl nur mit sehr viel Sucherei. so gibt es erst einmal eine Dusche vor dem Essen, welches ich gleich hier einnehme. Im Hotel hat es sogar eine Waschmaschine und so gebe ich meine Wäsche beim Zimmermädchen ab. Nun geht es wieder ins Zentrum, dort hat es ein Internetcafe der Telefongesellschaft. Die Wetteraussichten haben sich leider nicht geändert, die nächsten Tage sieht es eher trüb aus und daher nicht sehr günstig für die Strecke über Tomtor. Dafür ist Dina auch schon wach und wir können Mails austauschen, sie hatte mich wohl noch gar nicht hier erwartet.
Als nächstes mache ich mich auf die Suche nach einer Fackel. Auf russisch wird das auch "Falschfejer" genannt. Es ist also im Prinzip eine Handfackel, welche man durch Ziehen an einer Schnur entzündet und die dann 30 Sekunden sehr hell brennt. Ich hatte von verschiedenen Seiten gehört, dass das ein gutes Instrument im Falle einer Bärenbegegnung sein kann. Auch wenn natürlich jeder Russe als ultimatives Instrument eine Knarre empfiehlt und es für leichtsinnig hält, wenn man ohne im Wald unterwegs ist. Im ersten Jagdladen werde ich weitergeschickt, die Fackeln seien alle, aber es gäbe da ein Geschäft, welches diese noch haben könnte. Die Suche nach diesem Geschäft gestalltet sich schwierig, aber zum Glück treffe ich zwei nette Jakutinen, welche mich den Umweg zum Geschäft mitnehmen. Die Eine kennt sogar den Jagdaufseher von Omjakon und telefoniert kurz mit ihm. Er meint, dass aktuell die Bären keine grosse Gefahr sind. Dennoch versuche ich es im Laden, der zunächst noch zu hat. Als wieder jemand da ist, werde ich wieder enttäuscht und zu einem anderen Laden geschickt, der hätte das Falschfejer ganz sicher. Der Laden ist leider einige Kilometer weg, so dass ich mit der groben Wegbeschreibung und viel Durchgefrage kurz vor Ladenschluss dort ankomme. Es ist ein ganzes Einkaufszentrum für Jagd und Outdoor. Aber auch hier hat man nicht das Gewünschte, druckt mir aber eine ganze Liste mit Jagdgeschäften aus. Die könnte ich alle mal durchprobieren. Das verschiebe ich angesichts der Uhrzeit auf morgen.
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Sorgt für den ersten Lacher des Tages, mein Pannenauto hat 100 m neben mir übernachtet |
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Strasse am Abtrocknen |
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Es kommt jedoch neuer Regen |
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und ist kühl |
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Uferpromenade in Jakutsk |
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irgendeine Kirche oder ein Kloster in Jakutsk |
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Park in Jakutsk |
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Radladen in Jakutsk |
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und sein Ersatzteilsortiment |
Danach suche ich wieder ein Restaurant. Irgendwie bin ich nicht erfolgreich, es hat hier nur ein amerikanisches Fastfood-Restaurant (nicht McD oder BK). Bei der weiteren Suche treffe ich zwei einheimische Radler, die auf guten MTBs unterwegs sind. Es stellt sich heraus, dass sie auch Touren machen, Ilja war schon zwei Mal im Altai und auf Olchon, zudem hat er auch schon den Wilujski-Trakt gemacht. Dieses Jahr wäre er gerne mit anderen jakutischen Radlern nach Magadan mitgefahren, aber die Arbeit als Anwalt hat ihm keine Zeit gelassen. Nachdem ich auf Restaurant-Suche war, zeigt mir Ilja noch eines. Wir landen beim vorher verschmähten Fast-Food-Lokal. Nach dem Essen bringt mich Ilja noch zu Ewgeni, einem Radlerkollegen. Er war letzten Sommer mit 5 anderen Radlern von Jakutsk nach Magadan gefahren. Wir unterhalten uns noch den ganzen Abend zu Tee mit Varenja (Marmelade). Er gibt mir noch lauter Tipps zur Strecke, wo es Orte hat (insbesondere höre ich zum ersten Mal den Namen Meaundscha, der erste Ort nach der Old Summer Road, der wohl recht gross ist, und wo sie bei der Feuerwehr übernachten konnten), wo man einkaufen kann, wo es Cafés hat. Zudem schauen wir noch einen Teil der Photos an. Sie hatten letzten Sommer super Wetter, allerdings auch ein bisschen Mückenplage, aber das ist normal. Ich werde gleich auf die schlechte Wegbeschaffenheit hinter Jakutsk vorbereitet, dort sollen die ersten 200 km nicht so gut sein, recht tiefer Belag, aber wenn es in die Berge geht würde es besser werden und astreine Piste da sein. Sie sind letztes Jahr auch die "Old Summer Road" gefahren, d.h. über Tomtor und im Anschluss die Tenkinskaya Trasse. Letztere ist zwar sehr bergig aber auch sehr schön. Zudem war sie völlig verkehrsfrei, weil letztes Jahr an einer Brücke gebaut wurde. Auf den Photos sieht man nur ein Brett über die Lücken liegen. Damit war es nur zu Fuss möglich drüber zu gehen. Nachdem es schon langsam am Dunkel werden ist, verabschiede ich mich langsam und mache mich auf den Heimweg.
Kurz bevor ich bei meiner Herberge bin, sehe ich am Strassenrand ein Motorrad stehen, welches mein Interesse weckt, es sieht nach einem Touristenmotorrad aus, es ist eine Transalp mit vollem Gepäck. Und als ich auf das Nummernschild schaue, muss ich lachen, es ist eine rumänische Nummer. Das muss Adrian sein, den wir ja schon im Altai getroffen hatten, als er in die Mongolei gefahren ist. Ich hatte ihn eigentlich auf der BAM erwartet, da er damals seinen Zeitplan grob skiziert hatte.
Ich gehe also in das Hotel, vor dem das Motorrad steht und in der Tat steht Adrian an der Rezeption, er ist wohl gerade erst angekommen. Ein Freund hat ihm schon mal vorsorglich das Zimmer reserviert, es ist eines der billigeren Hotels hier, aber immer noch 2200 Rubel. Er meinte, er hätte einen harten Tag gehabt und verschwindet erst einmal unter die Dusche. Dann reden wir noch bis in den späten Abend. Er ist jetzt erst hier, weil er in Wladiwostok 11 Tage auf die Verschiffung warten musste und noch einmal eine Woche in Magadan. Zudem hatte er einen richtigen Notfall auf der Old Summer Road, bei dem er die ultimative SOS-Taste seines Spots drücken musste (das Gerät war mir schon im Altai an seinem Lenker aufgefallen). Genau in der Mitte des Niemandslandes der Trasse war ihm seine Kupplung verreckt, als er gerade eine Pfütze durchfuhr und er sie in eine Überdrehzahl brachte. Er war also jeweils gut 100 Kilometer vom nächsten bekannten bewohnten Ort weg. Die Strecke wird im Sommer wohl nur von ein paar wenigen Touristen gemacht und ist daher tage- oder wochenlang ohne Verkehr. Er hätte zwar sogar eine Ersatzkupplung dabei gehabt, aber ausgerechnet den grossen Schlüssel (27er) zum Aus-und Einbau nicht dabei. Daher hat er wohl relativ bald den SOS-Knopf gedrückt und gewartet. Die amerikanische Notfallzentrale hat die russichen Kollegen verständigt und diese daraufhin die Feuerwehr in Meaundscha. Die sind dann tatsächlich auch am nächsten Tag gekommen (ca. 30 Stunden nach Knopfdruck). Bis dahin hat er sich aber ziemlich in die Hose gemacht, da er den Bären jetzt hilflos ausgeliefert war. Feuer konnte er wohl keines machen, da es zu regnen begann, er hat sich noch einen Speer gebastelt. Die Feuerwehr meinte zu ihm auch, sie hätten nicht erwartet jemanden lebend zu finden, sie gehen immer mit voller Bewaffnung raus ins Gelände. Immerhin hatte Adrian zwei Falschfejer dabei. Als ich ihm von meiner Irrfahrt durch die Stadt auf der Suche nach eben solchen Falschfejern erzähle, drückt er mir seine Beiden in die Hand und meint, er braucht diese ja jetzt nicht mehr, aber da ich ja jetzt durch ein Gebiet mit höherer Bärendichte komme wären sie mir vielleicht nützlich. Ich bin ganz überrascht und natürlich sehr dankbar, auf diesem Wege doch noch an das Falschfejer zu kommen. Adrian hatte die Fackeln in Magadan besorgen können.
Adrian hatte Glück, die Feuerwehr war zuerst mit kleinem Jeep ausgerückt, aber weil es zu regnen angefangen hatte, konnte der nicht über den Fluss. Daher sind sie mit dem grossen LKW ausgerückt, so dass er dort auch sein Motorrad hineinverladen konnte. Im Prinzip hätten sie ihm auch nur kurz den grossen Schraubschlüssel überlassen müssen, aber das wäre wohl nicht gut angekommen. Auf jeden Fall wurde er gut versorgt in Meaundscha und konnte seine Kupplung wechseln. Danach ging es über die normale Fernstrasse über Ust-Nera nach Jakutsk. Heute ist er von Chandyga aufgebrochen und meinte schon er wäre am frühen Nachmittag in Jakutsk. Pustekuchen! Da es ein bisschen Regen gab, wurde die Piste für ihn unfahrbar. Er musste abwarten, bis sie wieder etwas angetrocknet ist, auf dem Lehm ist er sonst keinen Meter vorangekommen und hätte auch keine Kontrolle über das Motorrad gehabt. Die Strecke ist auch bei den Einheimischen bei Regen berühmt berüchtigt. Daher war er froh, dass er es am Abend doch noch bis Jakutsk geschafft hat. Er meinte, dass heute abend noch weitere Motorradfahrer von Süden her kommen würden. Es sollten Walter und ein paar Norweger sein. Da er sein Handy nicht laden kann, können wir sie jedoch nicht kontaktieren. Erst als ich kurz vor 1 Uhr nachts gehen will, bekommt er eine Verbindung über das Netbook. Wir verabreden uns noch am Hotel Lena, wo die anderen untergekommen sind. Also gehen wir noch schnell dort vorbei. Die anderen sind schon in der Lobby und auch erst spät am Abend angekommen. Nun soll noch Jakutsk unsicher gemacht werden und wir gehen auf ein Bier aus. Doch darauf ist die Stadt wohl nicht eingerichtet, zunächst irren wir ziemlich herum, bis endlich mal einer der gefragten Passanten doch noch ein Lokal kennt, dass um diese Uhrzeit noch offen hat. Bei den Preisen muss ich allerdings arg schlucken, dennoch ist es nett mal mit anderen Reisenden zu quatschen, die habe ich unterwegs ja fast nie getroffen. Die anderen fünf sind zwar getrennt gekommen, haben sich aber an der BAM getroffen und sind seither gemeinsam unterwegs bis Jakutsk. die drei Norweger wollen noch weiter nach Magadan, die beiden Engländer überraschen mit der Absicht ab Jakutsk zurückzufliegen. Walter war vorher auch im Altai unterwegs und im Anschluss in der Mongolei, zwei der Norweger sind auf Asphaltstrassen im Schnelltempo an die BAM gefahren, der Dritte war länger unterwegs (Iran, Pamir etc). Die Norweger hatten an der BAM ein schlechtes Erlebnis in Taischet, wo sie wohl von Leuten bedroht wurden. Zudem erfahre ich zu meiner Überraschung, dass sie auch Novaja Tschara nicht so sicher fanden. Sonst hatten sie 2 Tage Regen auf der BAM, da hatte ich mehr Glück. Die Strecke von Tynda nach Jakutsk hat den Maschinen wohl nochmal alles abverlangt, so dass der morgige Tag zum Reparieren angesetzt ist.
Irgendwann, um 1000 Rubel erleichtert, verlassen wir wieder das Etablissement und ich fahre zu meiner Herberge. Ich hatte zwar befürchtet, dass die Türen schon geschlossen sind, was bei Adrian tatsächlich der Fall ist. Aber bei mir ist um die Uhrzeit tatsächlich noch jemand da und so falle ich um 4 Uhr ins Bett.
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Am Hauptplatz |
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Viva Lenin |
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Das Denkmal vor dem Gebäude kommt in einer Woche wieder vor |
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Zwei freundliche Damen helfen mir bei der Suche nach einem Jagdgeschäft |
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einheimische Radler |
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Auch den Charme vergangener Zeiten findet man hier noch |
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